Donnerstag, 9. Juni 2022

Tausche Erste Hilfe- gegen Surf-Kurs - oder - Johannesburg Tag & Nacht

Nach der Rückkehr aus dem Busch hatte ich eigentlich noch eine Woche in Johannesburg für den Erste Hilfe Kurs eingeplant, der vermeintlich obligatorisch für sie Field Guide Zertifizierung ist. Es stellte sich aber heraus, dass die Überprüfung der erste Hilfe Kurse ziemlich genau so ernst genommen wird wie die Überprüfung des Wohnorts beim Kauf einer SIM Karte, sodass ich mit dem Einreichen einer Buchungsbestätigung eines Kurses vermutlich schon über das erwartet Maß an Engagement heraus geschossen bin.
Johannesburg selbst hat für mich eine zentrale Gemeinsamkeit mit einer Thai-Massage in der Weise, dass manche auf die raue Art dort zu stehen scheinen und manche Geld dafür bezahlen würden, davon verschont zu bleiben im Bezug auf die Goldgräberstadt zähle ich definitiv in die zweite Rubrik. Glücklicherweise hatte ich wohl durch meine unfreiwillige Spende an Taxifahrer zu Beginn meiner Reise so viel gutes Karma gesammelt, dass Buddha mir Erlösung in Form von Mary - einer Mit-Guidin aus dem Field Guide Kurs - geschickt hat, die in ihrer endlosen Weisheit die Idee hatte sich in einer Surflodge einzuquartieren anstatt sich eine weitere Woche zu überlegen welche inneren Organe in Falle eines Messerangriffs am ehesten entbehrlich sind.
Und so wurden aus den anderhalb Wochen Johannesburg dann zwei Tage.
Am ersten Tag haben wir einen Abstecher in die Mall of Africa gemacht, der größten Mall des ganzen Kontinents und Heimat eines hervorragend Frühstücks-Mojitos. Eine weitere interessante Erfahrung war ein Besuch in Safari Outdoor Shop - einem Laden für Outdoor Zubehör mit einem erstaunlich großem Repertoire an Schusswaffen. Betreten konnte man den Shop nur durch eine Schleuse, bei der ein Mitarbeiter jeden einzeln hereinlassen musste und im Innern wusste man auch warum. Neben den üblichen Campingstühlen kann man dort genug Semi-Automatische Langwaffen erwerben um eine durchschnittliche Mittelafrikanische Diktatur zu stürzen. Man bekommt auch ein paar Mittelamerikische Red-Neck-Vibes, insbesondere weil es eine ganze Abteilung für Schusswaffen für Kinder gibt. 
Abends haben wir uns unter einheimischer Anleitung ins Johannesburger Nachtleben gestürzt. Ein Mädel aus unserem Kurs war Original Johannesburgerin und hatte sich angeboten, uns einen Club zu zweigen. Selbiger stellte sich dann eher als Billiard-Bar heraus, in der ein Dude mit Musik vom Computer (ich möchte ausdrücklich auf die Berufsbezeichnung/Qualitätssiegel "DJ" verzichten) versuchte, eine nichtexistente Crowd zum abspacken zu motivieren. 
Unsere in Busch praktiziere "Improvise-Adapt-Overcome" Strategie führte uns dann dazu, die Bar ihrer Jägermeister-Vorräte zu berauben und für unsere Fähigkeiten ein deutlich zu ambitioniertes  Billard Match zu spielen.
Am nächsten Tag hatten wir eigentlich eine Reise mit einem Heißluft-Ballon geplant, hatten allerdings nicht bedacht dass die Luftsäcke schon morgens um 04:45 den Startplatz Verlassen und die Anreise so 100km beträgt. Auch der Versuch, ersatzweise ein Flugzeug zu chartern scheiterte an der in Afrika perfektionierten Methode der Aufwands-Minimierung. "Können wir ein Flugzeug haben?" - "Ich rufe sie in 15 Minuten zurück!" - eine Stunde später - "Können wir jetzt ein Flugzeug haben?" - "Ich rufe sie in einer Stunde zurück!" - bis zum heutigen Tag hat er sein Versprechen nicht gehalten.
Unsere Backup Plan war eine Reise zur "Wiege der Menschheit", dem Ort an dem die bislang ältesten Fossile menschlicher Vorfahren gefunden wurden.  Über die Hälfte sämtlicher weltweit entdeckter Artefakte aus der Frühsteinzeit stammt aus diesem Umfeld. Besonderheit war, dass das Besucherzentrum wieder so ungefähr 100km außerhalb Johannesburg ist, eine Fahrt per Uber aber mit um sie 35€ noch Recht erschwinglich war. Das Besucherzentrum selbst war so mäßig begeisternd - irgendjemand hatte wahrscheinlich wieder Millionen darin vergraben, dass es eine unterirdische Wasserbahn gibt, mit der die Besucher die Phasen der Entstehung der Erde durchleben können. Was sich nach einer guten Idee anhört, manifestiert sich in einem Tunnel in dem sich Wasser befindet und der nacheinander hell, dunkel, kalt und rot wird. Besonders gut gefallen hat mir der im Anschluss etwas sarkastisch wirkende Aufruf zum Wasser sparen, nachdem wir durch Millionen Liter kostbaren Nasses gedümpelt sind.
Mein Favorit war jedoch ein Kollege, der den Guide darauf hinwies, dass ihm wohl ein Zahlendreher bei der Datierung der menschlichen Überreste Unterlaufen sein müsse - der Priester seines Vertrauens hätte ihm erzählt, Abraham und Konsorten hätten schließlich vor 700 Jahren gelebt und nicht vor 700.000.
Nachdem dann der Erlebniswert dieses Zentrums relativ schnell ausgereizt war und wir feststellen mussten dass auch eine Besichtigung der Ausgrabungsstätten in den Höhlen nicht mehr zu kriegen ist, mussten wir die Heimreise organisieren. Und an diesem Punkt versagte ein bis dahin als Festpunkt des westlichen Wertesystems geglaubtes Gesetz - das Kommutativgesetz des Taxifahrens. Oder anders ausgedrückt: wo du mit dem Taxi hin kommst, kommst du auch wieder mit dem Taxi weg. 
Über zwei Stunden sollte uns Uber auf die Folter spannen, bevor wir dann beschlossen haben, Mal die Belegschaft zu fragen ob die wohl einen Tipp hätten wie man wieder zurück käme. Und das Schöne an Afrika ist dann ja, dass immer einer einen kennt und wir zwanzig Minuten später jemanden da hatten, der uns für einen besseren Kurs als Uber wieder zurück gefahren hat. Eigentlich wollten wir nur ein kleines wenig grün in einem botanischen Garten genießen und sind dann noch in einen wirklich netten kleinen Pop-up Markt mit einem hervorragenden Kaffeestand rein gestolpert. Und um uns vollends mit dem Schicksal zu versöhnen war als letzter Punkt ein Sundowner  auf einem Berg mit Blick über die gesamte Stadt. Und da Sonntag war und alle Geschäfte geschlossen hatten und die Sonne sich dem Horizont näherte, haben wir versucht unser mittlerweile arg lieb gewonnenen Savanna Cider mit Uber eats zu bestellen. Da wir auch mit einem Uber (ohne eats) auf den Berg fahren wollten, hatten wir ein kleines Uber-Wettrennen veranstaltet, von dem wir gehofft hatten, dass es der Cider-Bote gewinnt und wir dann mit der notwendigen Stärkung unseren Weg zum Aussichtspunkt antreten können. Leider war der Uber Eats Kollege wie ein Esel in einem Pferderennen und hat es ums verrecken nicht geschafft unsere Position zu finden, was darin gipfelte, dass ich ihn angerufen habe und das Handy an unseren mittlerweile länger wartenden Uber Fahrer weitergegeben habe, der ihm dann - so Uber-zu-Uber - ein paar hilfreiche Ratschläge zur Navigation und ein wenig ehrliche Rückmeldung zu seinen Fähigkeiten im allgemeinen gegeben hat, bis wir dann doch inklusive Getränke abreisen konnten.
 Nach einem super Sonnenuntergang ging es dann wieder zurück und am nächsten Morgen mit dem Flieger nach Port Elizabeth, wo wir von der Surflodge abgeholt wurden.
Seitdem leben wir hier in einem wirklich ansprechenden Anwesen direkt am Strand.

In mühsamer Kleinarbeit versucht uns der geduldige Dion das Surfen beizubringen, aber das ist eine andere Geschichte.


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