Dienstag, 31. Mai 2022

Tiere im Camp - oder - Norbert und das Hippie-Reh

Eine der Besonderheiten der Camps in denen wir hier leben ist die Tatsache, dass sie nicht eingezäunt sind und deswegen alles was so durch den Busch kreucht, fleucht, schlängelt und hoppst auch ungehindert Teil unseres Alltags werden kann. Es ist also keineswegs so, dass wir die Tier- und Pflanzenwelt nur während unserer Ausfahrten bewundern können - häufig genug köttelt sie uns genau vor's Zelt.

Ich dachte mir ich stelle ein paar unserer Mitbewohner Mal vor, damit man so eine Idee bekommen kann, wer sich bei uns sonst noch so eingerichtet hat.


Nyalas 

Wer noch nie eins gesehen hat - wenn Antilopen Medizinmänner hätten, dann wären es die Nyalas. Die Männchen haben eindrucksvolle Hörner, ähnlich denen eines Kudus und lustige Streifen an der Seite, ganz unähnlich denen eines Zebras. Interessanterweise scheinen Nyalas allgemein kein wirkliches Problem mit Menschen zu haben und sowohl im Camp in Selati als ich hier in Karongwe lebt gleich ein ganzer Haufen davon. 

Auch wenn die gehörnten Kollegen hier auf den ersten Blick ganz friedliebend aussehen und eigentlich so den Charme eines Hippie-Rehs versprühen, sind sie alles andere als harmlos. 

Dieses Exemplar hier hatte sich für uns extra ein bisschen hübsch gemacht während er durchs Camp gestakst ist. Aber auch die nette Deko über den Hörnern kann nicht darüber hinweg täuschen, dass die Dinger relativ spitz sind. Einer unserer Guides war weniger Wochen vor unserem Kursbeginn dabei, wie in einer Lodge ein Gast eines davon nach einer Meinungsverschiedenheit mit dem Träger im Oberschenkel stecken hatte. Er hat mehrfach sehr lebendig dargelegt, wie wenig zuträglich das dem Gesundheitszustand des Gastes war, der im folgenden 3 Liter Bluttransfusion bekommen hat und die Begegnung fast nicht überlebt hätte. Fortan haben wir diese Tiere mit äußerstem Respekt behandelt und immer grußzügig Abstand gehalten. Das Camp verwandelte sich hin und wieder auch in einem Nyala Fightclub und die Bullen tragen hier ihre Rangkämpfe aus, was zwar spannend zu beobachten ist, aber meistens mindestens einen schlecht gelaunten Verlierer hinterlässt.



Die Nyala Damen sind auch gerne Mal zu Besuch und haben dann aber anderen Unsinn im Kopf. Dieses Exemplar hier scheint ein wenig eigentümliches Konzept von Nachbarschaftshilfe zu haben und leiht sich Grade das Geschirrhandtuch aus. Zur Entschädigung bringen sie aber auch immer wieder ihre Kleinen mit, die wirklich süß anzusehen sind.


Elefanten
Schon bei unserem allerersten Briefing am ersten Tag im Busch wurden wir gewarnt, dass immer wieder auch Mal Elefanten durchs Camp schleichen. Damals hielt ich die Aussage, wir sollten uns nachts nicht von einem Rüsseltier zerquetschen lassen für eine Warnung, die ein wenig in die Kategorie fällt wie "wenn du deinen Teller nicht aufisst regnet es morgen". In der Tat sollten wir spätestens in Mashatu fast täglich ein paar Dickhäuter zu Besuch im Camp haben.


Das Bild hier ist unmittelbar vor meinem Zelt entstanden und man kann darauf hervorragend die Fußabdrücke eines Elefanten erkennen, der Nachts direkt neben dem Zelt entlang gelaufen ist. Ich vermisse es hier mittlerweile richtig, im Bett zu liegen und das tiefe Brummen zu hören, das die Dickhäuter absondern. Es hatte immer ein bisschen was  Walgesängen, wenn man die zum einschlafen draußen vor sich hin brummeln hört. 
Der Nachteil ist allerdings, dass eine akkurate Tagesplanung furchtbar unter einem Elefantenhintern an der falschen Stelle leiden kann. Und mehr als einmal konnte ich entweder gar nicht da hin, wo ich hin wollte oder musste einen riesen Umweg nehmen.
Aber so nah dran zu sein, wenn die grauen Riesen durchs Camp stapfen ist trotzdem jedes Mal beeindruckend.

Paviane
Wenn Elefanten im Camp schon manchmal dafür sorgen, dass die Wasserversorgung ausfällt oder der Strom lahm gelegt wird, dann sind Paviane meistens die Ursache wenn sich ein oder mehrere Zelte von einem 3D- in ein 2D-Objekt verwandeln.
Hier wird gerade eines Zelte wieder aufgebaut, das von einer Horde Paviane zu einem Spielplatz umfunktioniert wurde. Es ist mir auch mehrfach passiert, dass ich nichts ahnend in einer Hängematte lag und um mich herum das wilde Affentheater ausgebrochen ist und sich eine Schar durch unser Camp gejagt hat. Besonders wenn jemand sich einem Mitternachtssnack mit ins Zelt genommen hat wurde aus dem Räuber und Gendarme Spiel der Paviane dann schlagartig eher eine Schnitzeljagd. 

Creepy Crawlies
Wie ich mittlerweile gelernt habe, ist eine Vielfalt an 6- bis 10-beinigen Krabbeltieren ein Zeichen für ein intaktes Ökosystem. Dem zufolge kann auch dke Präsenz meiner Schmutzwäsche das ökologische Gleichgewicht in meinem Zelt nicht so nachhaltig gestört haben, dass die sich da nicht mehr wohl fühlen würden. Auch in unseren Schlafgemächern hatten wir regelmäßig ein paar Besucher, auf die wir gut auch verzichten könnten.


Einerseits haben sich ab und zu Mal Schlangen ins Innere verirrt. Auch wenn das Exemplar oben eher harmlos ist, so ist in Karongwe auch eine Mozambikanische Speicobra im Camp heimisch und sucht insbesondere bei Regen gerne mal einen trockenen Unterschlupf. Unbehandelt kann der Biss tödlich sein und eine Portion Schlangenspucke in den Augen kann einem nachhaltige Probleme einhandeln, sodass man auch im Zelt immer Mal wieder schauen sollte, ob es unterm Bett irgendwo zungelt. Auch Skorpione oder größere Spinnen schauen gerne Mal vorbei.

Der Kollege hier hatte es sich unter meiner Matratze gemütlich gemacht, ist aber noch eines der kleineren Exemplare. Besonders unfair fand ich einen der Achtbeiner der sich unter der Klobrille versteckt hatte und so eine halbe Handfläche gemessen hat. Da habe ich mich nicht nur in meiner Privatsphäre verletzt gefühlt sondern einem ordentlichen Schreck bekommen. Mit Spinnen jeglicher Farbe, Größe und Geschmacksrichtung muss hier aber sowieso immer gerechnet werden. Mehr als einmal ist zum Beispiel vom Essen eine Baboonspider, die einer Tarantel erschreckend ähnlich sieht, mehr oder weniger kontrolliert vom Baum auf einen ahnungslosen Wirt grplumpst und hat für Aufregung gesorgt. 


Zum Abschluss noch das vorher-nachher-Bild von Norbert, unserem Zeltgecko. Eigentlich hatte er es sich außerhalb unseres Zeltes gemütlich gemacht aber eines Tages lag ein toter und etwas deformierter Reptilienleichnam neben meinen Schuh im Zelt. Ich bin noch sicher ob ich wissen möchte wer für dieses Gewaltverbrechen verantwortlich ist und ob es sich weiterhin in meinen Zelt befindet aber zumindest hatte sind eine Horde Ameisen bereits der Aufgabe angenommen, Norbert dann wieder aus unserm Zelt zu entfernen.







Sonntag, 29. Mai 2022

Übungsende - oder - eine Prüfung kommt selten allein

 Die letzten Wochen hatte ich wenig Gelegenheit mich zu Wort zu melden, aber jetzt habe es Mal wieder geschafft ein paar Zeilen aus dem Busch zu hinterlassen. Einerseits liegt unser neues Camp Karongwe zwar wieder wunderbar an einem ausgetrockneten Flussbett gelegen, anderseits liegt es scheinbar an einer Stelle gelegen um die sämtliche Handystrahlung einen großen Bogen macht. Wo man in Mashatu oder Selati zumindest nach Besteigung eines Termitenhügels und mit ausgestrecktem Arm hin und wieder ein paar Bytes einfangen konnte, ist hier an der Binärfront absolute Flaute. Unsere Camp-Leitung war allerdings so gütig, uns nach den bestandenen Prüfungen Zugriff auf das Satelliten Internet zu geben, damit wir zumindest Mal ein Lebenszeichen und eine Erfolgsmeldung nach Hause schicken können.

Neben dem fehlenden Internet war außerdem ein entscheidender Faktor die nachhaltige Abwesenheit von verfügbarer Zeit um neben den Verpflichtungen für die Ausbildung hier noch ein paar warme Worte ins Internet zu meißeln.

Die letzten waren geprägt von insgesamt 4 Prüfungen, die wir zu absolvieren hatten um uns dann anschließend ganz offiziell in Südafrika als Guide verdingen zu dürfen. Die erste Prüfung ist vermutlich mehr zum warm werden und wird mit "Open Book Exam" tituliert. Dabei müssen eine Reihe von vorher bereits bekannten Fragen unter Zuhilfenahme beliebiger Medien (in den meisten Fällen allerdings nur das Medium "Handy") bearbeitet werden. Da sich der Überwachungseffekt bei den Fragen doch sehr in Grenzen hielt und alle Antworten in einem PDF File vorher auch schon bekannt waren, konnte diese Prüfung eigentlich nur dazu dienen die letzten Analphabeten raus zu filtern, die sich inkognito bis zum Ende des Kurses durchgeschlichen haben.


Der nächste Teil allerdings hatte es dann in sich: die theoretische Prüfung, die vom Field Guide Verband gestellt wurde. Und trotz Bestechungsversuchen mit verschiedenen Nahrungsmitteln zwischen Cider und Trockenfleisch wusste in diesem Fall keiner was dran kommt. Wir hatten insbesondere in den letzten Wochen insgesamt 17 verschiedene Lektionen zu unterschiedlichen Themen bekommen und zu jedem dieser Themen wurden 10 Fragen gestellt, sodass im Endeffekt einiges zusammen gekommen ist. Und die verschiedenen Fächer reichen von Themen wie etwa dem Verhalten von Tieren über Astronomie und Geographie, bis hin zu den geschichtlichen Hintergründen der Eingeborenen. Die geforderten Fähigkeiten gingen in diesem Fall also über das bloße Halten eines Stiftes hinaus und die Prüfung erforderte durchaus etwas Vorbereitung. Neben Fragen wie "welche verschiedenen Arten von Quaken können Frösche absondern?" über "in welchem Teil Afrikas sind Termiten die vorherrschende Nahrungsquelle für Säugetiere" bis hin zu "welches Tier wurde bei den Eingeborenen des Volkes der Khiosan als göttlich verehert?" war alles dabei. Die Menge an Wissen, die wir hier über Amphibien, Reptilien, Anthopoden ( ein Sammelbegriff für die "creepy crawlies", also Insekten, Spinnen, etc.) gesammelt haben hatte ich vermutlich nicht mehr seit wir in der 9. Klasse in Gummistiefeln durch die örtlichen Tümpel gestapft sind. Man sah also die letzten zwei Wochen konstant eine Reihe von emsigen Schülern, die sich der Anatomie der örtlichen Krötenpopulation angenommen haben und das Camp hätte fast schon einen Hauch Uni Campus.

Der dritte Teil der Prüfungen bestand dann in einer auf elektronische Lehrmittel gestützte Untersuchung unserer Fähigkeiten, Säugetiere, Spuren, Bäume, Vögel (-gesänge), Reptilien und Frosch (-gequake) zu indentifizieren. Was sich sehr wichtig und akademisch anhört war im Endeffekt ein Dude mit einer Powerpoint Präsentation auf der sich irgendwo ein Pangulin, ein Feigenbaum oder ein Flattervogel versteckt hat, den wir dann bestimmen sollten. Aber insbesondere die Vogelstimmen, die Froschgesänge und teileweise auch Vogelnester waren wirklich nicht so einfach auf einen Verursacher zurückzuführen und ich war froh als alles zur Zufriedenheit des Prüfers abgehakt war.

Der letzte Teil und auch der eigentliche Höhepunkt der Prüfungszeit ist die praktische Prüfung, bei der wir einen Game Drive eigenverantwortlich durchführen. Dabei wird neben dem allgemeinen Auftreten, der adretten Kleidung und dem adäquaten Seitenscheitel auch die Fähigkeiten bewertet, ein Auto mit Passagieren über die Buckelpisten hier zu manövrieren, ein paar weise Worte zur lokalen Tier- und Pflanzenwelt zu verlieren und ganz allgemein ein entzückender Gastgeber zu sein. In meiner unendlichen Weisheit hatte ich mich auch 3 Stunden vor der Abfahrt zu meiner Prüfungsfahrt noch nicht für eine Route durchs Reservat entschieden und muss auch zugeben dass ich erst eine Woche vorher angefangen hatte, einen genaueren Blick auf die Karte hier zu werfen. Im Endeffekt lief es also darauf hinaus, dass ich bei meiner Prüfung mehr oder weniger erst Mal drauf los gefahren bin und dabei die vage Hoffnung gehegt habe, einer Gestalt mit vier Beinen und/oder Fell zu begegnen. 



Dabei waren die ersten anderhalb Stunden von der Abwesenheit jeglichen entwickelten Lebens (außerhalb des Wagens) geprägt, was den Guide vor Herausforderungen stellt. Als Faustregel sollte man seinen Gästen zumindest Mal so alle 10-15 Minuten mit ein paar erquickenden Fakten rund um den Busch erfreuen und das wird umso schwieriger, je weniger fakturierbares Leben in der Nähe ist. Als Backup-Plan wurden dann Termitenhügel oder Warzenschein-Behausungen unfreiwilliger Gegenstand ausführlicher Analyse. Zum Ende der Fahrt erbarmte sich dann wenigstens ein Büffel, sein Gesicht Mal in die Runde zu zeigen und ein paar Zwergmangusten überprüften uns auf unsere Fähigkeit hin, ihnen als Nahrung zu dienen.

Der vielleicht wichtigste Part ist dann kurz vor der Rückreise der "Sundowner", bei dem die Gäste gespannt dem Untergehen der Sonne beiwohnen können und der Guide für die Versorgung mit geistigen Getränken zu sorgen hat. 


Im Endeffekt sind dann alle wieder heile und lebendig im Camp angekommen und ich durfte mir noch im Auto anhören, dass ich auch den letzten Prüfungsteil bestanden habe.




Sonntag, 1. Mai 2022

Nicht für die Schule, für den Busch lernen wir - oder - Omnivora et Labora

 Auch wenn meine Karriereplanung mittelfristig noch nicht vorsieht, das Arbeitsutensil der Hacker-Skimaske gegen den Bushhut zu tauschen, so ist das erklärte Ziel dieser Afrika Reise dennoch der Erwerb einer Zertifizierung als Nature Site Guide. Und weil sich vermutlich irgendeine unsägliche Gottheit überlegt hat, vor den Preis den Schweiß zu setzen, müssen wir neben regelmäßiger Anwesenheit am Lagerfeuer und aufmerksamer Beobachtung von Löwenherden auch ein gewisses Maß an theroetischer Bildung nachweisen. 

Und entgegen der ansonsten eher verarbeiteten passt-schon-Attitüde, die in Afrika sehr heimisch ist, müssen wir hier ein mehrere hundert Seiten starkes Workbook durcharbeiten und mehrere theoretische und eine praktische Prüfung am Ende des Kurses ablegen. 

Der vermutlich am meisten gefürchtete Teil dieser Prüfung ist die Identifikation von Säugetieren, Fröschen, Insekten, Schlangen, Spinnen und vor allem Vögeln. Sehr viele Vögel. Viel zu viele Vögel.  

Eines der Dinge, die ich im theroetischen Unterricht gelernt habe und das mich mehr schockiert als die Tatsache, dass Giraffen regelmäßig Knochen toter Tiere fressen (tun sie tatsächlich, es heißt Osteophagie) ist Umstand, dass Birding - also Vögel beobachten - das zweit verbreitetste Hobby der Welt ist. Es entzieht sich auf meiner Vorstellungskraft, warum Leute tausende Euros für Reisen bezahlen, auf denen sie dann einen Piepmatz sehen der statt eines braunen Flecks am Bauch einen roten Fleck am Bauch hat, aber scheinbar ist das ein Ding. 

Ich versuche, diese Begeisterung dadurch verstehen zu können, dass ich mir vorstelle, eine Vogelsichtung ist wie eine Pokemon-Karte, die fanatisch gesammelt wird und ich als Guide der bewunderte Comicladen-Besitzer, der die Dinger verkauft. 


Insgesamt müssen wir über hundert Vögel identifizieren können, von denen wir 58 anhand ihrer Rufe erkennen müssen. Das hat unter anderem Folge, dass im Camp stets ein gewisses Grundrauschen an Vögelgesängen herrscht, die von Handys für Lernzwecke angespielt werden. Außerdem wird vor jeder Mahlzeit die Reihenfolge, wer zuerst sein Essen abholen darf mithilfe eines Vogelstimmen-Quiz bestimmt. Das Ganze geht so weit, dass am Lagerfeuer abends dann anstatt eines zivilisierten Gesprächs über die Vor- und Nachteile invasiver Erosionsprävention eher eine inbrünstige Imitation eines afrikanischen Fischadlers zu hören ist.


Mit größter Phantasie bauen wir uns hier Eselbrücken um die teilweise nahezu identisch klingenden Vogelstimmen auseinanderhalten zu können. Und für den eingeweihten Vogelkundler hört sich dann der Ruf des brown-headed Parrot an wie eine professionelle Zahnreinigung und die Pearl-spotted Owl wie ein Feueralarm.




Abgesehen von der Theorie dürfen wir mittlerweile selbst in die Rolle eines Guides schlüpfen und selbstständig Game Drives durchführen. Dabei ist unser bester Partner der umgebaute Toyota Landcruiser, der für mich neben Flora und Fauna der zuverlässigste Quell großer Augen darstellt. Selbst mit bis zu 12 Personen beladen fährt dieses in Würde gealterte Meisterwerk japanischen Autobaus im Standgas noch absurd steile und mit Medizinball-großen Felsen gepflasterte Pfade hoch. Wenn ich hinten drin sitze und mich wieder Mal frage ob meine ADAC Plus Mitgliedschaft auch in einem von Löwen verseuchten Sumpfgebiet zieht, dann bleibt unser Guide ganz gelassen und beruhigt den Fahrer "don't worry, in first Gear it will climb everywhere" - und bis jetzt hatte er Recht.





Sobald man selbst in Fahrersitz hockt und die Meute hinter sich unterhalten muss ist das Gefühl doch ein deutlich anderes als wenn man sich im Font des Wagens lümmeln und berieseln lassen kann. Nach nun mehr als drei Wochen im Busch haben wir so langsam beispielsweise eine gewissen Grad an Sättigung an Impalas erreicht. Die Viecher laufen überall herum und nichtsdestotrotz sollte ein Guide aber während des Trips ein paar Worte über diese doch recht auffälligen Antilopen verlieren. Das führt zu dem Dilemma, dass man einerseits ähnliche Informationen immer wieder zu hören bekommt, und andererseits auch immer wieder Ähnliches erzählen muss. Es fühlt sich ein wenig so an, als würde man durch die Berliner Innenstadt laufen und die Essgewohnheiten der ansässigen Taubenpopulation kommentieren müssen. Nichtsdestotrotz geben sich Alle Mühe, neue spannende Fakten - in Expertenkreisen als "Fun Facts" tituliert - zu recherchieren und zum Besten zu geben. 

Mindestens genauso problematisch ist es, wenn man einem Tier über den Weg läuft, über das man entweder noch gar nichts weiß oder das beschlossen hat, die Konvention des vom ihm erwarteten Verhaltens vollkommen zu ignorieren und komische (und somit schwer erklärbare) Dinge zu tun. Dann ist man sehr dankbar, dass keine Gäste im Wagen sitzen, sie absurde Geldmengen für den Game Drive ausgegeben haben und einer der Guides mit einer meist einleuchtenden Erklärung aushelfen kann, die dann hoffentlich fürs nächste Mal in einer Hirnwindung abgelegt werden kann.

Auch wenn es um Längen anstrengender ist, den Drive selbst zu leiten, so ist es doch immer wieder eine willkommene Herausforderung und den Toyota durch die Savanne manövrieren zu dürfen entschädigt für die Aufregung.





Neben den Drives sind wir dann einmal am Tag zu Fuß unterwegs und suchen nach Tierspuren in Form von beispielsweise Fußabdrücken oder Ausscheidungen. Während man sich vorkommt wie Winnetou, wenn man neben einem Abdruck einer Löwenpfote im sind kniet und sich über Bewegungsrichtung, Alter, Datum der letzten Maniküre und Sternzeichen des Verursachers austauscht, ist das Wühlen in den Haufen nicht immer so glorreich. Bei den Pflanzenfressern ist es noch relativ eindeutig, wer sich im Sand verewigt hat. Bei den Fleischfressern oder Omnivoren wird dann eine eingehendere Untersuchung fällig, um beispielsweise einen Pavian von eine Schleichkatze zu unterscheiden. Wer dann richtig im Busch angekommen ist, schätzt bei Elefantenhaufen anhand der Temperatur ab, wann sich das Rüsseltier von seinen überschüssigen Mopani-Blättern getrennt hat. Die Erfahrung zeigt, dass sich der kleine Finger dafür am besten eignet um die Wahrscheinlichkeit einer späteren Kollision zwischen Gesicht und Elefantendung so gering wie möglich zu halten.


Und als Abschluss, ein perfektes Beispiel forensischen Spurenlesens. Diese Taube hatte das Pech, einem hungrigen Paviian im falschen Moment begegnet zu sein. Da es sich nicht um einen chinesischen Pavian gehandelt hat, war er so gütig uns die Füße übrig zu lassen, sodass wir die Fingerabdrücke der Taube nachvollziehen können.



Mashatu Camp - oder - Wild Wild East (Botswana)

 Auf Grund einer glücklichen Fügung durfte unsere Gruppe neben zwei Camps in Südafrika zusätzlich eines in Botswana besuchen. Vor einigen Jahren hatte ich da schon Mal einen Abstecher ins Okawango Delta gemacht und hatte das Land in hervorragender Erinnerung. Von den Guides in Selati wurden uns außerdem Unmengen an Elefanten, weite Savannen-Ebenen und regelmäßige Besuche von Raubkatzen versprochen.

Auch wenn sich 11 Stunden Busfahrt und eine Grenzüberquerung nicht wie das beste Verkaufsargument anhören, war ich dem Intermezzo in der Schweiz Afrikas, wie Botswana auch genannt wird, dann doch recht positiv gegenüber eingestellt.

Die Busfahrt selbst hatte dann zusätzlich noch Abwandlungen einer guten alten Klassenfahrt - da gab es die eine, die unbedingt vorne beim Fahrer sitzen musste - ob wegen einer Reiseübelkeit oder eines voluminösen Platzbedürfnisses blieb ungeklärt -, der eine Dude der sein Handy mit dem Bluetooth Radio des Busses koppelt um mit furchtbarem britischen HipHop auf ewig Narben in meinem Gehörgängen zu hinterlassen und letztendlich den obligatorischen Stop bei einer Tankstelle, der es uns erlaubte eine subjektive, Cider-induzierte Reisezeitverkürzung vorzunehmen.

Das Versprechen, neue Tiere zu Gesicht zu bekommen konnte schon auf der Anreise eingehalten werden. In Botswana werden die Grünstreifen an Straßen wohl als Weideflächen zweckentfremdet, sodass wir entlang der Route eine größere Anzahl lebendiger und weniger lebendiger Ziegen, Schafe, Esel, Hunde und Aasfresser zu Gesicht bekamen. 




Fast am Camp angekommen sind wir dann an der Straße von unserem Bus in einen Game Viewer - also einen Geländewägen - umgestiegen um die letzte dreiviertel Stunde auf Schotterstraßen zum Camp zu fahren. Alleine in diesen 45 Minuten haben wir dabei die Liste der bereits gesehenen Säugetiere fast verdoppeln können. Die Landschaft hier ist deutlich offener, mit viel weniger dichtem Buschwerk und an allen Ecken und Enden waren Tiere zu sehen. Als erstes gestellte sich eine Tüpfelhyäne zu uns auf die Straße und ließ es sich nicht nehmen, wie auf einem Catwalk an uns vorbei zu spazieren.

Passender Fun-Fact: Hyänen sind weder Katzen noch Hunde, sondern bilden eine eigene Familie.





Im weiteren Verlauf gleich der Blick aus dem Auto dann der klassischen BBC Tierfilm Doku über die Savanne und es zogen Herden von Zebras, Gnus und Impalas an uns vorbei. Ein paar Schakale gaben sich die Ehre, Paviane schauten vorbei und eine Gruppe Elands (die größte Antilopenart mit über einer Tonne Körpergewicht) marschierte am Straßenrand vorbei.

Mittlerweile haben wir uns an diese Vielfalt hier schon fast gewöhnt, aber der Unterschied zwischen den Camps ist extrem. Die shxiere Anzahl und Diversität der Tier- und Pflanzenwelt hier in Botswana ist wirklich unglaublich. Lange Zeit hatte ich vor unseren Ur-Ahnen immer größten Respekt ob der Tatsache, dass ein Leben als Jäger und Sammler scheinbar extrem anstrengend und mühselig sein müsste. Geht man davon aus, dass die Dichte an Tieren zur Zeit der Säbelzahntiger vergleichbar mit derjenigen um uns herum ist, muss ich meine Einstellungen stark revidieren. Auch bei unseren Wanderungen durch den Busch ist es nahezu unmöglich, mehr als eine Viertelstunde zu laufen ohne auf Impalas oder Zebras zu stoßen. Ich würde mich so weit aus dem Fenster hängen zu behaupten, dass die Dichte essbarer Tiere hier durchaus mit derjenigen von Fastfood Restaurants in deutschen Innenstädten mithalten kann.

Auch wenn die Qualität sicher nicht überragend ist, ist wir diesem Bild zwar kein Waldo mit geringelter Strickmütze versteckt, aber es finden sich mindestens 4 Sorten größerer Säugetiere.





Im Camp in Mashatu angekommen wurden wir erst Mal herzlich begrüßt und durfte in unsere Zelte einziehen. Genau wie auch in Selati ist die Ausstattung auf das mindeste beschränkt, aber mehr als ausreichend. Wunderbar ist unsere "Dining Area" unter dem Mashatu Baum. Diese Baumart ist auch Namensgeber dieses Reservats und der Name bedeutet auf der Sprache der Einheimischen so viel wie "Hochzeitsbaum" weil unter den ausladenden Ästen gerne Trauungen abgehalten werden.






Es wird einem hier auch immer wieder bewusst, dass man sich in Afrika befindet und die Einstellung zum Thema "Instandhaltung" oder "Effizienz" kulturell bedingt stark von unserer Interpretation abweicht. Ein hervorragendes Beispiel ist der Generator, der täglich einige Stunden am Tag für zuverlässigen Strom abseits der Solaranlagen sorgt. Nachdem das Seil zum Anreißen des Aggregats gerissen ist sieht der Backup Plan so aus, dass ein Seil mit einem Knoten versehen um die Welle gewickelt wird und so der Generator gestartet wird. 





Es fällt vermutlich nicht schwer sich vorzustellen, dass dieser Prozess ein Recht fehleranfällig ist und die Österreicherin, die hier im Camp aushilft meinte, dass täglich so zwischen 20 - 90 Minuten für Kraftsport am Generator entfallen. Nachdem wir ein neues Seil auftreiben konnten, hatten wir das Ding unter Zuhilfenahme eines Leathermans dann in weniger Zeit repariert, als für einen einzigen durchschnittlichen Anreißvorgang benötigt wird.

Auch die Heißwassererzeugung hat einen Charm, der ein wenig an die Anfänge der Industrialisierung erinnert.





Das Holz für den Ofen und für das abendliche Lagerfeuer ist überwiegend vom Mopani-Baum (ihr erinnert euch vielleicht - der mit den schmackhaften Würmern) und von einer Härte wie ich sie aus Deutschland nicht kenne. Selbst abgehangenes Eichenholz wirkt dagegen wie mittelalter Camembert, sodass wir Holzhacken hier als Workout-Ersatz nutzen können. Und natürlich ist die Axt stumpf und der Säge fehlen Zähne.