Donnerstag, 8. September 2022

Noch mehr Affen rasen durch den Wald - oder - Umkehr-Lachs im freien Fall

 Für mich ist jetzt schon die letzte Woche in Merazonia angebrochen und auch wenn ich anfänglich sicher war, dass meine Begeisterung für gekühlte Lebensmittel und trockene Füße überwiegen würden, so bin ich doch traurig, dass sich die Zeit dort dem Ende nähert.

Nachdem mein letztes Affenspielzeug begeistert von den Kapuzineraffen auf die dafür vorgesehene Art und Weise zerlegt wurde, durfte ich die die kleinen Racker noch ein Nachfolgemodell entwickeln.



Dabei können die Affen mit dem gegen herausziehen gesicherten Stock die Früchte von den Nägeln puhlen und sie anschließend am Boden in Richtung von Löchern schieben, durch die sie ihre Beute dann greifen können. Nachdem das Gerät auf Verletzungsgefahr für übermotivierte Primaten und für gut befunden wurde, durften wir es dann im Affenkäfig aufhängen. 
Insgesamt gibt es 5 Kapuzineraffen, wobei Zwei Männchen gemeinsam gehalten werden und zwei Weibchen mit einem weiteren Männchen. Auch wenn die Äffchen putzig aussehen, so darf man sich nicht von ihrem arglosen Äußeren täuschen lassen.




 Erst am morgen hatte eine der Helferinnen beim putzen der Käfige kurz eine Hand zum abstützen gegen einen der besetzten Käfige gehalten und der garstige Insasse hatte sich gleich einen Finger geschnappt und herein gebissen.

Als wir nun meine Zauberbox in einem der Gehege aufhängen wollten, waren die Affen in anderen Teilen das Käfigs eingesperrt und hätten uns eigentlich nicht bei der Arbeit stören können sollen. Eigentlich - denn sie rissen und zerrten so lange an einem der schon etwas angerosteten Befestigungsseile für die Absperrklappen, bis eines davon Riss. Und schon sprang das Männchen, das mit den Weibchen gemeinsam lebt in das Abteil hinein, in dem wir Grade arbeiteten. Mein Kollege hatte das Klappern der Klappe gehört und starrte mit großen Augen den Affen an, der nur ungefähr eine Armeslänge entfernt auf einem Ast über uns saß und meinte zu mir nur "Shit, run!". Der Flüchtige auf dem Ast überlegte in diesem Moment augenscheinlich noch ob er uns angreifen sollte, doch diese Entscheidung nahmen wir ihm durch einen geordneten Rückzug liebend gerne ab. Im Gegensatz zum letzten Mal war nur eine Verbindung zwischen den Käfigteilen unfreiwillig geöffnet worden und als wir die Tür von außen schlossen konnte immerhin nicht wieder ein Insasse entkommen. Insbesondere weil ich diesmal wieder mit dem gleichen Kollegen unterwegs war, mit dem wir die unfreiwillige Auswilderung bei den Woolies geprobt hatten, wollten wir uns diesmal doppelt versichern, dass wir den Affen nicht selbst frei gelassen hatten, doch das Beweisstück des gerissenen Seils sprach für sich.

Glücklicherweise konnte jemand die Ersatzteile aus dem Dorf mitbringen, sodass ich am selben Tag noch ein neues seol einziehen konnte und zukünftige Volunteers hoffentlich von überraschenden Affenbesuchen verschont bleiben. Später am Abend konnten wir die Box dann auch endlich aufhängen und wie man sieht, ist an dem Kapuziner nahezu ein Hirnchirurg verloren gegangen.


Kurz vor meiner Abreise gab es dann noch einen Activity Day, bei dem wir ein kleines Naturbecken zum Baden, inklusive Seilrutsche und Volleyfeld gemietet hatten. Problematisch an dem Becken war, dass das Wasser nur ca. Hüfthöhe hatte und sich damit Akrobatik vom Beckenrand Verbot. Alternativ sind wir dann kreativ geworden und haben Zipline-Rugby entwickelt:


Beim Volleyball durften wir feststellen, dass die Ecuadorianer eine eigene Abwandlung des Sports haben, mit einem deutlich höheren Netz und vermutlich einer Reihe anderer Regeln die keiner von uns kannte. Was hingegen jeder von uns hinterher kannte waren die vermutlich leckersten Hautstellen, denn nach einer Stunde spielen waren wir so zerstochen als wären wir mit einer Horde Stachelschweine in einem Moshpit gewesen.
Anschließend haben wir auf dem Weg zurück ins Camp noch etwas Essbares gesucht, aber anders als im touristischen Baños gibt es im kleinen Mera keine richtigen Restaurants sondern in diesem Fall nur eine Dame mit einem großen Topf voller undefinierbarer Fleischstücke, sowieso Maispuffern. Aber wir wären dankbar, dass wir etwas zu essen bekommen und so war der einzige Raum mit einem Tisch dann auch schon bald gerappelt voll ist und wir haben alle ein original ecuadorianisches Gericht unbekannt Namens verspeist. Die Besitzerin des Imbisses schien sich aber über die Horde Gringos zu freuen, die bei ihr eingefallen sind und auch wenn das Fleisch etwas abenteuerlich aussah, haben es wohl alle unsere Mägen klaglos zur Kenntnis genommen.

In Merazonia hatte dann auch schon am freirag mein letzter Tag angebrochen und ich habe mich für einen kleinen Zwischenstopp nach Baños abgeseilt, bevor es dann endgültig zurück geht. Auch wenn ich mich von einigen verabschieden musste, so hatten wir uns mit einer Gruppe am Sonntag noch dazu verabredet, die berühmten Wasserfälle "El Pailon" bei Nacht anzuschauen.
Vorher blieb mir noch ein Tag in Baños, dem ich gewinnbringend verwerten musste und so beschloss ich etwas auszuprobieren, was ich schon lange hatte tun wollen, nämlich Canyoning. Wer es nicht kennt - es handelt sich mehr oder weniger um die umgekehrte Darstellung des Lebens eines Lachs. Anstatt einem Fluss hinauf zu schwimmen, springen oder rutschen wird in diesem Fall ein Canyon herab geschwommen, gesprungen oder gekrochen. Um dabei die dem Lachs gegebene Schwanzflosse zumindest teilweise ausgleichen zu können, finden Seile, Sicherungsgeräte und Neoprenanzüge Anwendung. 
Eigentlich wollte ich die "große Runde" fürs Canyoning buchen, jedoch scheinen nicht viele andere Besucher Baños ihre Bestimmung als Umkehr-Lachs gefunden zu haben, sodass ich die einzige Anmeldung angegeben habe und auf eine kleinere Runde umsatteln musste. Nachdem ich dann gemeinsam mit einem amerikanischen Pärchen in die Neos geschlüpft war, gab es eine kurze Einweisung und schwupps waren wir auch schon dabei einen Weg entlang von Wasserfällen hoch zu laufen. Als erstes galt es dann oben angekommen sich in einem Wasserfall an einem Seil abzulassen. Auch wenn man das vielleicht vom Klettern kennt, gewinnt die Angelegenheit ein wenig Komplexität dadurch, dass man das Sicherungsgerät selbst bedienen muss während es abwärts geht, man nicht wirklich sehen kann wo man hin tritt, da überall Wasser ist und dann ist da auch noch der Umstand, dass der Wasserfall selbst einem mit mehreren tausend Litern pro Minute den Schweiß von der Stirn spült.

Nach dem Abseilen gab es noch eine Passage in der man auf dem Po rutschend seinen Weg ins Tal suchen musste und als Abschluss kam ein Sprung rückwärts einen ca. 16m hohen Wasserfall hinunter.

Alles in allem ein feuchtfröhliches Vergnügen, es hätte nur ein wenig länger sein können. Nach ungefähr zweieinhalb Stunden war der Spaß auch schon wieder vorbei. Den Rest des Tages habe ich dann genutzt eine der am häufigsten beworbensn Attraktion hier zu besuchen: "Los Manos der Dios".
Auf jedem Schild jedes Tourenanbieters hier kann man Bilder von gezwungen grinsenden Leuten auf einem Laufsteg hoch über Baños sehen, der durch zwei übergroße Papmaché-Hände führt. Es hat sich mir bislang nicht erschlossen, ob es sich dabei um ein Denkmal für Langfinger, eine Gedenkstätte aus Dankbarkeit für 
opponierbarer Daumen welche die Evolution uns geschenkt hat oder einfach um einfallslose Griffel handelt. Immerhin war es für mich eine anderthalbstündige Wanderung 800m die Bergkette hoch. Getrübt wurde diese durch voll mit einheimischen Touristen beladene, umgebaut LKW die allesamt mit unfassbar lauter Musik an mir vorbei sie sterile Straße fuhren, sodass ich zwischendurch das Gefühl hatte, in einer um 45° geneigten Love Parade zu stecken. Die Hände selbst waren dann erwartet unspäktakular und der Ausblick auf die Stadt war dank dichter Wolken unerwartet unspektakulär.


Kurz vor meiner Abreise nach Quito stand dann noch der bereits erwähnte Besuch des El Pailon Wasserfalls an, der nachts bunt beleuchtet wird. Die herabstürzenden Wassermassen sind in der Tat recht beeindruckend und auch wenn er durch die bunte Färbung ein wenig den Charme aufmüpfigen Wackelpuddings hat ist es doch ein imposanter Anblick, der allerdings nur vollkommen unzureichend von einer Handykamera eingefangen werden kann.

Scheinbar aus Angst, die tollpatschigen Touristen könnten sich die Füße brechen wurden wir die ganze Zeit von einem Guide mit Taschenlampe begleitet, was vermutlich weder für ihn noch für uns ein Gewinn war. 
Was allerdings unseren Entdeckergeist geweckt hat war ein Gang durch den man sogar hinter den Wasserfall kommen konnte - jedoch nicht ohne der Umgebung gebührend nass zu werden. Aber wenn wir uns an eins in der Zeit im Regenwald schon gewöhnt hatten, dann ans nass werden.

Den Tag der Abreise hatte ich noch ein paar Stunden Zeit, bis ich den Bus zurück Richtung Quito nehmen musste und wie es das Schicksal so wollte stand gleich neben dem Busbahnhof noch eine Beschäftigung für die letzten Minuten bereit. Ein Ecuadorianer hatte festgestellt, dass die dort befindliche Brücke doch eigentlich viel zu schade wäre um darüber nur Autos fahren zu lassen und hat ein Bungee-Jumping à la so it yourself angeboten. Im Endeffekt waren es ein paar Kletterseile die kunstvoll um und durch die Brücke geschlungen waren, aber ich hatte sie Tage zuvor schon Leute springen und überleben sehen, da habe ich mich auch zu einem Versuch hinreißen lassen. 


Mit der Abreise Richtung Quito geht wieder ein Abschnitt zuende und auch wenn ich die Arbeit selbst in Merazonia vielleicht nicht unbedingt vermissen werde, so doch ganz bestimmt die Leute und die Stimmung dort. Wie da alle auch bei widrigsten Bedingungen mit angepackt haben und immer ihre Hilfe angeboten haben ist sicher nicht selbstverständlich und ich hoffe, dass ich den ein oder anderen vielleicht noch Mal wieder sehe.

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