Sonntag, 4. September 2022

Die Affen rasen durch den Wald - oder - frisch in der Küche eingetroffen: Danger-Noodle

 Mit Anbruch der dritten Woche hier merke ich langsam, wie mein Körper sich an die Umgebung und das Wetter gewöhnt und die Arbeit doch mittlerweile deutlich leichter fällt. Während ich in der ersten Woche nach Ende der Abschlussbesprechung ins Bett gefallen bin wie eine narkoleptische Ziege, habe ich abends nun meistens sogar noch die Energie meine Yogamatte auszurollen. Ein bisschen Gesundheit für den Rücken schadet definitiv auch nicht bei der Arbeit hier. Je nachdem, auf welcher Runde man eingeteilt ist, verbringt man 4 bis 6 Stunde in gebückter Haltung um durch Käfige zu kriechen, Affenhaufen aufzusammeln, ungegessene Blumenkohlreste zwischen Steinen einzusammeln oder riesige Haufen frisch gesammelter Äste zu schleppen. 

Eine willkommene Abwechslung war, dass ich für ein paar Tage statt der normalen Aufgaben ein paar Projekte übernehmen konnte - wobei es sich dabei um ein Euphemismus handelt, der teilweise in die Irre führen kann. Ein Projekt war beispielsweise, ein Spielzeug für die Kapuzineraffen zu basteln, die notorisch etwas unterbeschäftigt sind. Deren überschüssige Energie wandert dann teilweise darin, dass sie uns beim putzen der Käfige aus ihrem Nachbarkäfig heraus belauern, teilweise wie tollwütige Flughörnchen versuchen anzuspringen oder durch die Gitterstäbe greifen und so auch schon Regenjacken zerrissen haben. Mit einer erstaunlich gut ausgestatteten Werkstatt konnte ich mich dann ans Werk machen und ein Meisterwerk der Primatenunterhaltung erstellen.



Dabei hatte ich heute Gesellschaft von den beiden Hühnern Funkster und Cleo. Eigentlich gab es bis letzte Woche 9 Hühner, die auf nahezu magische Weise unsere Essensreste in Rührei-Rohstoff verwandelt haben, bis ein Hund aus der Nachbarschaft vermutlich sein Bedürfnis nach einem Mitternachtssnack nicht mehr im Griff hatte und die beiden Hühner jetzt die einzigen Überlebenden sind.



Weitere "Projekte" die wir hier haben sind die Neugestaltung von Käfigen, insbesondere des Bodens was nichts anderes heißt als Sandsäcke vom Eingang des Camps zu den Tieren zu schleppen. Sollte in Deutschland die nächste Flutkatastrophe drohen werden die hier erworbenen Fähigkeiten vermutlich Gold wert sein, bis dahin sehe ich das umschichten größerer Landmassen als Workout an. Erst heute habe ich gemessen, wie weit ein Gang ist und in zügigen Tempo sind es je 9 Minuten mit 25-35 kg Sand aufm Buckel.


Als Erholung am Wochenende durften wir noch einen Abstecher nach Baños machen und neben dem obligatorischen Käsekuchen haben wir dort die Termas de Virgenes, die Thermalbäder besucht. Wer sich jetzt eine Saunalandschaft mit weißen Kacheln und Echtholz vorstellt liegt ein wenig daneben - es sind eigentlich drei Koikarpfenteich-große Bäder in unterschiedlichen Temperaturen zwischen 42° und 15° in denen sich ausschließlich Einheimische getummelt haben. Als einzige Touristen wurden wir auch direkt von einer sonst in Amerika lebenden Ecuadorianerin angesprochen, die nicht verstehen konnte wie man weniger als ein Jahr durch ihr Heimatland reisen könne. Abgesehen davon, dass das Wasser die Farbe einer Champignon-Rahmsoße vom Imbiss um die Ecke hatte und Heerscharen von Kindern in der Brühe ihre ersten (und vielleicht letzten) Schwimmversuche gemacht haben war es ganz entspannend und man hatte eine gute Aussicht über die Stadt und den Wasserfall nebenan, den wir später noch Mal aus der Nähe angeschaut haben.



Abends ging es mit der ganzen Mannschaft von Merazoinia zu einem Schweiz Bistro, einem kleinen Restaurant eines ausgewanderten Schweizers, das mitten im Jungle liegt. Neben einem hervorragenden, wenn auch deutlich zu kleinem Camembert-Fondue wird mir vor allem in Erinnerung bleiben dass der Restaurantbesitzer uns ganz am Anfang darauf aufmerksam machte, dass die Toiletten kaputt seien, wir aber gerne den angrenzenden Regenwald um ein paar Tropfen bereichern können - für einen Europäer ein sehr an die örtlichen Gegebenheiten angepasster Lösungsansatz.


Am folgenden Samstag wurde ein nach vielen Monaten Altgedienter verabschiedet, was als Vorwand dienen konnte, das Nachtleben von Baños unsicher zu machen. Für eine recht kleine Stadt ist dort abends unfassbar viel los und es gibt unglaublich viele Bars und Restaurants. Nach einem Burger haben wir den nächsten Stop in einer Rooftopbar eingelegt, von der aus man einen guten Blick über die Stadt hatte.



Endstation war der Leprechaun, ein erstaunlich großer Club, in dem man überwiegend Locals, aber auch einige Touristen finden konnte. In der Mitte der Tanzfläche brannte ein riesiges Lagerfeuer, bei dem ich mich mehrfach gefragt habe, wie viele Leute nach einem Abend dort morgens aufwachen und sich wundern woher die Brandwunden an den Beinen kommen. In unregelmäßigen Abständen hat dann noch jemand ein Pulver hineingeworfen und damit eine kleine ästhetisch wertvolle Explosion hervorgerufen. Negativer Aspekt an dem Abend war, dass eine aus unserer Gruppe vermutlich irgendwas in ihren Drink gemischt bekommen hat, denn die sah relativ plötzlich relativ ungesund aus. Die Heimreise haben wir dann wieder auf der Ladefläche eines Pick-up Taxis zurück gelegt, diesmal allerdings bei ungefähr 15 Grad weniger Außentemperatur.

Die Abende unter der Woche wird zusammen gekocht und auch wenn es keinen Kühlschrank gibt und somit viele Zutaten ausfallen, werden die designierten Köche doch recht kreativ. Vom vegetarischer Quiche über koreanische Dumplings mit Erdnusssoße bis hin zu Schweizer Rösti ist alles dabei. Und manchmal gibt es unerwartete Zusatzgäste, wie in diesem Fall in Form einer Schlange, die es sich bei uns gemütlich gemacht hatte.




 Vermutlich wurde sie von der warmen Küche angezogen und ist unbemerkt hinein gekrochen als wir am Essen waren. Da die meisten Schlangen hier um der Umgebung giftig sind, hat niemand das Bedürfnis verspürt, ihr Beine zu machen (haha) oder ihr die Ohren lang zu ziehen (haha). Das Problem hatte sich letztendlich dadurch gelöst daß die Schlange sich am Stuhlbein eines Stuhls hoch winden wollten und wir dann den Stuhl mitsamt gewundener Schlange in einen uns kriechtiergerecht erscheinenden Busch stellen konnten. Besuche von Schlangen sind wohl nicht so sehr häufig, aber es ist wohl schon vorgekommen, dass Nichtsahnende auf dem Weg zur Toilette bei Nacht auf der eines der Nope-Ropes oder Danger-Noodles getreten sind und sich dann im Krankenhaus wiedergefunden haben.

Zwar werden in Merazoinia keine giftigen Tiere gehalten, es gibt aber einige Arten die durchaus gefährlich werden können. Eine davon sind die Woolies, oder Wooly Monkeys. Was aussieht wie ein Teddybär nach einem Besuch auf der Streckbank ist eine Affenart, bei der die Männchen teilweise extrem aggressiv reagieren können. Von den drei erwachsenen Exemplaren wurden zwei versucht wieder auszuwildern, aber sie waren zu sehr am Menschen gewöhnt und sie sind nach einer der Freilassungen zurück ins Camp gekommen und haben auch Menschen angegriffen. Auch wenn sie recht knuddelig aussehen, haben sie eine enorme Kraft und riesige scharfe Zähne. 




Einem der letzten Tage war ich mit zwei anderen eingeteilt, den Wooly Käfig zu säubern und mit neuem Futter zu bestücken. Bei den meisten Tieren funktioniert das so, dass der Käfig zweigeteilt ist und sich die Teile abtrennen lassen. Normerweise sind beide Teile zugänglich, wenn an dem Käfig gearbeitet werden muss, wartet man bis alle Insassen auf einer Seite sind, sperrt sie dort ein und kann auf der anderen Seite arbeiten. An besagtem Tage schüttete es wieder wie aus Strömen und wir waren mit der ersten Hälfte des Käfigs fertig und hatten Futter in die zweite Hälfte gepackt, auch damit die Affen zügig die Seite wechseln.

Als wir den Schieber öffneten, machte sich ein wolliges Rudel auf den Weg in den anderen Käfig. Nach einer Sichtkontrolle war der erste Käfig dann wieder leer, sodass wir den Durchgang wieder schließen konnten und damit begonnen, Affenkanalisation zu spielen. Als ich mich dem hinteren Teil des Käfigs näherte hörte ich plötzlich ein gutturales schreien und ein flauschiger Blitz entlud sich an der Käfigtür, welcher sich kurz darauf als Affe entpuppen sollte. Scheinbar hatte sich bei dem Regen ein Exemplar in einer Ecke verkrochen und wir hatten uns bei den aufgeregt umher rennenden Exemplaren im anderen Käfig verzählt. Glücklicherweise handelte es sich bei dem entkommen Affen um den mit Abstand kleinsten und in der Hackordnung am weitesten unten stehenden, sodass er sich für Flucht entschied als er sich in die Enge getrieben fühlte. Die anderen wären wahrscheinlich zum Angriff übergegangen und ich hätte den Abdruck eines Wooly-Gebiss im Hals als Souvenir mit nach Hause nehmen können. 

Als Sicherheitsmaßnahme wurden alle Anwesenden im Camp zusammen versammelt und eingeschlossen. Eine der Tierärzte machte sich dann mit ein paar dicken Handschuhen, einem als Hiebwaffe umfunktionierten Holzbrett und einem Stapel Bananen auf dem Weg zum Flüchtigen. Der hingegen war mit seiner neu gewonnenen Freiheit wohl etwas überfordert und kletterte auf der Außenseite des Käfigs herum, wobei er scheinbar lautstark mit seinen Kollegen die nächsten Maßnahmen besprach. Im Endeffekt waren es dann ein Haufen in seinen noch offenen Käfig geworfene Bananen, die den Ausschlag bei der weiteren Tagesplanung gaben und er ließ sich dankeswerter Weise wieder einschließen. Der Schreck steckte uns aber gut in den Knochen und fortan wurden die drei Affen dreifach kontrolliert.



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