Freitag, 8. April 2022

Ein bisschen Kultur in Johannesburg - oder - das Hühnchen im 51. Geschoss

 Ich durfte mittlerweile feststellen, dass Johannesburg eine Stadt ist die so sehr zum schlendern und flanieren einlädt wie der Walzenparkour aus Takeshi's Castle, weswegen ich mir dann gezielt einige Kulturstätten dieser Stadt anschauen wollte.


Das Wits Art Museum schlug mir der ein oder andere Reiseführer vor, vermutlich nicht wissend dass sich meine Begeisterung für zersägte und auf Leinwände geklebte Tierknochen relativ in Grenzen hält. Vermutlich oute ich mich als Kunstbanause, wenn ich zugebe, dass Halsketten aus Plastik -Kaffeelöffeln und "Installationen" aus Deckeln von Getränkeflaschen an Bindfäden vermutlich von mir nicht die künstlerische Gegenliebe erfahren haben, die sie verdient hätten.

Deutlich mehr Interesse konnte ich für das Apartheidsmuseum aufbringen, in dem wirklich ausführlich die Geschichte des Zusammenlebens - und teileweise auch des Zusammenmeuchelns - der verschiedenen Kulturen dargestellt wird. Vielleicht hat man in der Schule Mal etwas darüber gehört, aber da wurde einem doch sehr eindrücklich vermittelt, dass bis vor gar nicht allzu langer Zeit das wohl geringste Problem in Südafrika war, dass man überall per Uber hin fahren muss.

Zuletzt hatte ich noch den Tip bekommen, dass es eine Organisation gibt, die Touren durch die Gebiete in Johannesburg anbietet, in die man sich alleine vielleicht besser nicht hinein bewegt. Dlala Nje bietet einerseits eine Art Kinderbetreuung für die weniger gut situierten Viertel an, aber auch Walking Tours für Touristen, zum Beispiel durchs notorische Viertel Hillbrow.  Man kann vielleicht ein wenig die Müllberge, teilweise eingefallenen Häuser und Wellblech Dächer erkennen:



Treffpunkt war am Ponte Tower und wenn ich zuvor Sorgen gehabt haben sollten, dass der Veranstalter das alles nur aufbauschen will und wir nachher durch eine völlig ungefährliche und langweilige Einfamilienhaus-Siedlung spazieren, so konnten diese glücklicherweise spätestens dann zerstreut werden als mein Uber Fahrer mit einer heruntergezogenen Augenbraue gefragt hat, ob ich da wirklich hin wolle.  

Los ging es direkt mit besetzten Häusern, in denen einige Menschen ohne Strom und Wasser leben. Ob aus Gründen der besseren Belüftung oder damit man weiß welche Wohnungen schon belegt sind - die Fassade hatte man jedenfalls entfernt. Das Bild hier ist zwar nicht von mir aber es zeigt sehr gut wie es dort aussieht - wir wurden gebeten, keine Fotos zu machen.


Eine Tatsache, die ich nicht gedacht hätte ist, dass Teile der heutzutage ärmsten Viertel mitten in der Innenstadt liegen und vor dreißig Jahren von Mittel- und Oberschicht bewohnt wurden. Durch die Apartheid durften da zunächst nur Weiße wohnen, bis sich die Gesetze in den 90er Jahren geändert haben und jeder dorthin kommen konnte. Die Wohlhabenderen waren wohl weniger begeistert von ihren neuen Nachbarn und haben sich dann in den Norden der Stadt verzogen.

Fun-Fact: Als ich mir meine Unterkunft für die Tage in Johannesburg raus suchen wollte bin ich mit europäischer Naivität davon ausgegangen, dass man doch im Stadtzentrum wunderbar zentral wohne und da bestimmt auch immer Leben ist. Beides ist natürlich ein Stück weit auch korrekt, nur weiß ich nicht ob nach der Woche in mir noch so viel Leben gewesen wäre.

Durch den Ankauf und die Sanierung von Immobilien sieht es aber in einigen Vierteln gar nicht mehr so abgewrackt aus und die Leute scheinen sich teilweise mit ihrer Umgebung zu identifizieren und sie ordentlich zu halten. Alles in allem waren es eigentlich nur wenige Straßenzüge, die vollkommen heruntergekommen waren, allerdings erinnerte der Flair da dann auch ein wenig an das Loch im Boden in dem Saruman seine Uruk-Hai zur Endmontage gesammelt hat.

Dlala Nja unterhält im 51. Geschoss des Ponte Towers eine Location in der der Ausflug dann geendet hat - und zwar mit einer Portion Hühnchen und einem Cider. Der Ausblick von da oben ist wirklich grandios.


Der Tower selbst war wohl bis 2007 auch "hijacked" und wurde dann aber saniert, sodass er heute ein beliebter Wohnort ist. Das Gerät ist rund mit einem Loch in der Mitte und als abschließendes Gedankenexperiment kann man sich jetzt den Müllberg während der Besetzung vorstellen. Die "Bewohner" haben ihre unliebsamen Habseligkeiten wohl einfach in die Mitte des Turms geworfen, sodass sich der Müll 14 (!!!) Geschosse hoch gestapelt hat. 
Wer mag kann jetzt man 14 Fenster-Reihen hoch zählen - ich glaube wenn ich als Hausbesetzer damals Miete gezahlt hätte, hätte ich spätestens damit aufgehört wenn der Müll an meine Haustür klopft.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen